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Hans-Böckler-Stiftung fördert interdisziplinäres Promotionskolleg „Gebrochene Traditionen? Jüdische Literatur, Philosophie und Musik im NS-Deutschland“ am Selma Stern Zentrum für Jüdische Studien Berlin-Brandenburg

Promovierende der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt/Oder, der Goethe-Universität in Frankfurt/Main und der Hochschule für Musik Franz Liszt in Weimar werden sich ab dem Sommersemester 2024 am Selma Stern Zentrum für Jüdische Studien Berlin-Brandenburg der intellektuellen und künstlerischen Aktivitäten von Jüdinnen und Juden annehmen, die innerhalb NS-Deutschlands vermittelt, offen artikuliert oder illegal verbreitet auf die soziale Entrechtung, Ausgrenzung und schließlich Ermordung großer Teile des europäischen Judentums reagierten.

News vom 21.07.2023

„Ich freue mich sehr“, so die Kolleg-Sprecherin Prof. Kerstin Schoor (Frankfurt/Oder), „dass durch diese Förderung der Hans-Böckler-Stiftung ein spezifischer thematischer Schwerpunkt der beteiligten Lehrstühle und Institutionen in einem interdisziplinären Verbundprojekt vertieft und an eine neue Generation von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern weitergegeben werden kann.“

Forciert durch die politische Zensur und einen bereits 1933 massiv einsetzenden Prozess der Ausgrenzung und Verfolgung von Jüdinnen und Juden im NS-Deutschland, waren die damaligen Entwicklungen in Literatur, Philosophie und Musik stärker als in anderen Zeiten geprägt durch eine (kritische) Reflexion überkommener künstlerisch-ästhetischer, kultureller und religiöser Traditionen. Für Intellektuelle, SchriftstellerInnen und MusikerInnen jüdischer Herkunft wurde das Verhältnis zu Traditionen deutscher, jüdischer und europäischer Kulturen zur „Gretchenfrage“ intellektueller und künstlerisch-ästhetischer Positionsbildungen.

Ziel des vom Axel Springer-Lehrstuhl für deutsch-jüdische Literatur- und Kulturgeschichte, Exil und Migration der Europa-Universität Viadrina Frankfurt/Oder, dem Lehrstuhl für die Geschichte der jüdischen Musik an der Hochschule für Musik Franz Liszt Weimar und dem Buber-Rosenzweig-Institut für Jüdische Geistes- und Kulturgeschichte der Moderne an der Goethe-Universität Frankfurt/Main gemeinsam beantragten und am Selma Stern Zentrum für jüdische Studien Berlin angesiedelten Promotionskollegs ist es, die Kenntnisse zum jüdischen kulturellen Leben in einem seit 1933 zunehmend separierten jüdischen Kulturkreis innerhalb NS-Deutschlands in der Literaturwissenschaft, der Philosophie und Religionswissenschaft sowie der Musikwissenschaft zu erweitern.

Gerahmt von der gemeinsamen Forschungsfrage nach Gebrochenen Traditionen? werden hierfür intellektuelle, literarische und künstlerisch-ästhetische Traditionsbezüge im kulturellen Leben deutscher Juden der 1930er und frühen 1940er Jahre im NS-Deutschland einer kritischen Re-Lektüre unterzogen.

„Aus der Perspektive der drei beteiligten Disziplinen dieses Themenfeld des Kollegs zu erkunden“, so Prof. Christian Wiese, Direktor des Frankfurter Buber-Rosenzweig-Instituts in Frankfurt/M., „verspricht nicht nur Einblicke in die Vergangenheit, sondern auch fundierte Diskussionen über bedrängende Herausforderungen unserer Zeit – dem sehe ich mit Freude entgegen.“ Prof. Jascha Nemtsov (Weimar) begrüßt in diesem Sinne in dem Kolleg auch „eine großartige Möglichkeit, das Schaffen jüdischer Komponistinnen und Komponisten im NS-Deutschland zu erforschen und ihre Werke dem heutigen Musikleben zurückzugeben.“

Das Kolleg reagiert dabei auf einen Forschungsstand, der – im Unterschied zur Geschichtswissenschaft – noch immer durch eine weitgehende Abwesenheit der Darstellung charakteristischer Entwicklungen von Literatur, Philosophie und Musik von Intellektuellen und KünstlerInnen jüdischer Herkunft im NS-Deutschland, durch das weitgehende Fehlen einer Reflexion über die Gründe der verzögerten Rezeptionsgeschichte dieser intellektuellen und künstlerischen Aktivitäten seit den Nachkriegsjahren bis in die 1990er Jahresowie – in disziplinär unterschiedlicher Weise – durch eine desolate Quellenlage gekennzeichnet war und zum Teil bis heute ist. Es reiht sich ein in die internationalen Bemühungen der NS- und Holocaust-Forschung, im Rahmen derer es zudem in seiner spezifischen disziplinären Zusammensetzung wie inhaltlichen Ausrichtung einen originären Anspruch erhebt. 

Als Kooperationspartner konnten das International Institute for Holocaust Research der Erinnerungsstätte Yad Vashem, das Franz Rosenzweig Minerva Research Center der Hebrew University of Jerusalem, das Leo Baeck Institute Jerusalem sowie das Music Department des Dr. Hecht Arts Center der University of Haifa gewonnen werden.

Das Promotionskolleg wird seinen Sitz am Selma Stern Zentrum für Jüdische Studien Berlin-Brandenburg haben; die Promotionen erfolgen an den Lehrstühlen von Prof. Dr. Kerstin Schoor (Europa-Universität Viadrina Frankfurt/Oder), Prof. Dr. Christian Wiese (Goethe-Universität Frankfurt/Main) und Prof. Dr. Jascha Nemtsov (Hochschule für Musik Franz Liszt Weimar).

Die Hans-Böckler-Stiftung „freut sich, in ihrem neuen Promotionskolleg (PK057) neun Dissertationen zur jüdischen Literatur, Philosophie und Musik im NS-Deutschland in einem interdisziplinären Forschungszusammenhang fördern zu können.“ Das Kolleg wird in der ersten Förderphase mit einer institutionellen und individuellen Förderung von bis zu 900.000 € unterstützt.

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Die Ausschreibung der Stipendien erfolgt Ende August 2023. Interessierte sind gebeten, im Laufe des Septembers 2023, möglichst bis zum 15. mit dem/der anvisierten Erstbetreuer/in Kontakt aufzunehmen. Die Bewerbung auf ein Stipendium erfolgt in Rücksprache mit dem/r Erstbetreuer/in zum 2. November 2023 bei der Hans-Böckler-Stiftung. Das Kolleg wird seine Arbeit im Sommersemester 2024 aufnehmen.

 

Kontakt

Prof. Dr. Kerstin Schoor, schoor@europa-uni.de

Axel Springer-Lehrstuhl für deutsch-jüdische Literatur- und Kulturgeschichte, Exil und Migration an der Europa-Universität Viadrina Frankfurt/Oder

 

Prof. Dr. Christian Wiese, c.wiese@em.uni-frankfurt.de

Martin-Buber-Professur für Jüdische Religionsphilosophie und Buber-Rosenzweig-Institut für Jüdische Geistes- und Kulturgeschichte der Moderne an der Goethe-Universität Frankfurt/Main

 

Prof. Dr. Jascha Nemtsov, jascha.nemtsov@hfm-weimar.de

Lehrstuhl für Geschichte der jüdischen Musik an der Hochschule für Musik Franz Liszt Weimar

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