Jakob Stürmann
Assoziiertes Mitglied/Kollegium Jüdische Studien
Leibniz-Institut für jüdische Geschichte und Kultur - Simon Dubnow
Goldschmidtstraße 28
04103 Leipzig
Jakob Stürmann studierte Osteuropastudien, Geschichte und Gender Studies in Berlin und Birmingham (GB). Zwischen 2004 und 2006 absolvierte er einen Freiwilligendienst in Simferopol (UA).
Seit 2014 forscht er über die Lebenswelten osteuropäisch-jüdischer SozialistInnen im Berlin der Weimarer Republik. Er ist Kollegiat des Ludwig Rosenberg Kollegs, in dem die Kollegiatinnen und Kollegiaten in verschiedenen Dissertationsprojekten historische Beziehungen zwischen Arbeiterbewegung und Judentum im 19. und 20. Jahrhundert untersuchen.
Seit August 2020 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Leibniz-Institut für jüdische Geschichte und Kultur - Simon Dubnow.
FUNKTIONEN
Beisitzer im Vorstand der Aktion Sühnezeichen Friedensdienste e.V.
seit 2020 Mitglied im Stiftungsrat der Internationalen Jugendbegegnungsstätte in Oswiecim/Auschwitz
Dissertationsprojekt: Blickwechsel - Das Europa der Zwischenkriegszeit aus der Perspektive osteuropäisch-jüdischer SozialistInnen
Abstract:
Im Rahmen meines Dissertationsprojektes erforsche ich die Lebenswelten einer Gruppe von mehreren Dutzend osteuropäisch-jüdischen SozialistInnen, die während der Zwischenkriegszeit in Berlin lebten. Die meisten dieser MigrantInnen erreichten ihren neuen Lebensmittelpunkt in den ersten Jahren nach dem Ersten Weltkrieg.
Von Berlin aus verfolgten und kommentierten sie die politischen, sozialen und kulturellen Entwicklungen der Zwischenkriegszeit in Zeitungen und Büchern. Die diversen Veröffentlichungen werden im Promotionsprojekt analysiert und die Kenntnisse über die europäische Zwischenkriegszeit somit durch eine neue Perspektive erweitert.
Grundannahme des Projektes ist das Bestehen eines gemeinsamen Erfahrungshorizontes der osteuropäisch-jüdischen SozialistInnen, welcher sie von anderen europäischen SozialIstinnen unterschied. Wichtiger Bestandteil hiervon waren folgende Ereignisse: Der rasche Industrialisierungsprozess um die Jahrhundertwende und das Aufkommen sozialistischer Parteien im Russländischen Reich; Eine damit einhergehende komplexe Veränderung innerhalb der osteuropäisch-jüdischen Lebenswelten und Denktraditionen; Pogrome gegenüber der jüdischen Bevölkerung seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts; Die Februar- und Oktoberrevolution sowie der darauffolgende mehrjährige Bürgerkrieg im Gebiet des ehemaligen Russländischen Reiches.
Das Berlin der Weimarer Republik bildete einen zentralen Migrationsort für russländische MigrantInnen jeglicher politischer und gesellschaftlicher Couleur. SozialistInnen hatten in der Migrations-Community eine besondere Stellung: Sie setzten sich politisch, kulturell und wirtschaftlich für einen dritten - sozialistischen - Weg zwischen dem bolschewistischen Sowjetrussland und den Regierungsformen im westlichen Europa ein. Zur Verbreitung der eigenen politischen Meinungen wurden in Berlin migrantische Zeitungen und Partei-Auslandsdelegationen, Debattierklubs und Kulturvereine gegründet sowie Kooperationen mit anderen sozialistischen Parteien eingegangen.
Das Promotionsprojekt verfolgt das Ziel, das Europa der 1920er/30ere Jahre in politischer, gesellschaftlicher und kultureller Hinsicht aus der Perspektive dieser heterogenen Migrationsgruppe zu analysieren. Es stellt sich die Frage, inwieweit der gemeinsame Erfahrungshorizont bis zur Migration nach Berlin zu ähnlichen politischen Einschätzungen führte und ob bzw. wie sich diese Einschätzungen von anderen sozialistischen PolitikerInnen unterschied. Das Projekt ist quellenbasiert angelegt und analysiert vornehmlich Publikationen in russischer, deutscher und jiddischer Sprache. Disziplinär ist das Promotionsprojekt zwischen den Osteuropastudien, den Jüdischen Studien, der Berliner Stadtgeschichte und der Geschichte der ArbeiterInnenbewegung verortet.